11. Oktober 2023

Die Soziologin Dr. habil. Alexandra Manske wurde 2023 vom Dachverband freie darstellende Künste Hamburg e. V.  beauftragt, ein Gutachten zur aktuellen Lage der freien darstellenden Künste in Hamburg zu erstellen. Finanziert hat diese wichtige Bestandsaufnahme die Behörde für Kultur und Medien Hamburg. Besonderes Augenmerk des Gutachtens liegt dabei auf der Förderarchitektur der BKM, deren Fördertöpfe durch die Erhöhung der Honoraruntergrenze im Oktober 2022 sowie inflationsbedingte Preissteigerungen faktischen Kürzungen ausgesetzt waren und sind. In dem dreißig Seiten umfassenden Dokument plädiert Alexandra Manske dafür, „den Weg zu erwerbsverlaufs- und prozessorientierten Fördermodellen noch deutlicher einzuschlagen“ und betont die Wichtigkeit von Kontinuität in der Förderung insbesondere für „mid-career und erfahrene Künstler:innen“. Für Manske folgt aus der derzeitigen Lage politischer „Handlungsbedarf, der sowohl eine Neuakzentuierung der Förderarchitektur als auch eine Aufstockung der Fördermittel nahelegt“. Wir als DfdK-Vorstand haben das Gutachten mit Gewinn gelesen und leiten daraus sechs kulturpolitische Forderungen für den nächsten Doppelhaushalt (25/26) ab. 

  • 20% Erhöhung des gesamten Projektförderungsetats zum Ausgleich der HUG: Die im letzten Jahr eingeführte Honoraruntergrenze hat de facto eine Kürzung der Fördervolumina zur Folge und bedarf eines Ausgleichs von 20%.
  • SMP-Mindestförderquote von 30%: Die Förderquote aller eingereichten Anträge im Bereich SMP (Sprechtheater-Musiktheater-Performance) lag im Jahr 2023/24 bei 15% und damit deutlich niedriger als in den Haushaltsjahren zuvor. Die Quote darf in keinem Bereich unter 30% fallen. 
  • Einführung einer Kontinuitätsförderung für drei etablierte Künstler:innen: In der Förderarchitektur muss Kontinuität besonders gewichtet werden. Kontinuierliche Förderungen sind nachhaltiger als ein Gießkannenprinzip, das ständige Wechsel der geförderten Projekte und Künstler:innen zur Folge hat. Die Kontinuitätsförderung entspricht der in den letzten Jahren fortgeschritteneren Professionalisierung der freien Szene und ermöglicht Künstler:innen, ihre künstlerische Handschrift zu festigen. Sie erstreckt sich über fünf Jahre mit einem Fördervolumen von 100.000 Euro pro Jahr.
  • Einführung eines Kofinanzierungsfonds: Nach Berliner Vorbild soll ein spartenübergreifender Kofinanzierungsfonds eingeführt werden, der Projekte, die bereits eine Zusage für die Förderung aus Bundesgeldern haben, um die oft notwendigen Landesmittel ergänzt. Ziel ist es, nicht länger Bundesgelder an Hamburg vorbeigehen zu lassen, sondern stattdessen damit das künstlerische Arbeiten in dieser Stadt zu stärken und auszubauen. 
  • Aufwuchs der Strukturförderungen: Um die künstlerische Arbeit der fdK zu ermöglichen, braucht es Strukturen. Das bedeutet bezahlbare Proberäume ebenso wie ein personell gut ausgestattetes Netzwerkbüro, das für Sichtbarkeit, Vernetzung und Weiterbildung der Szene sorgt. Weil im Netzwerkbüro keine HUG- oder Tarifbindung gilt, bedarf es einer Anpassung der Löhne an die jetzige Inflation und dementsprechend einer Gehaltssteigerung für alle Mitarbeitenden. 
  • Aufwuchs der Diffusionsförderung auf 300.000 Euro: Die meisten Produktionen der freien Szene werden nur viermal gezeigt. Dem Nachhaltigkeitsgedanken folgend wurde deshalb die Diffusionsförderung ins Leben gerufen, die alle drei Monate vergeben wird. In der letzten Runde hatte diese eine Förderquote von 13 Prozent. Es gibt also eine hohe Nachfrage, die Produktionen zu zeigen, ist finanziell aber nicht umsetzbar. 

Das aus Mitteln der BKM Hamburg finanzierte Gutachten bildet die Basis für bereits laufende und terminierte Gespräche zwischen BKM, kulturpolitischen Sprecher:innen der Bürgerschaft und dem Vorstand des DfdK.

Wir schließen uns dem Fazit des Gutachtens an und betonen, dass dringend Maßnahmen nötig sind, die zur Verbesserung der Lage für die Künstler:innen in Hamburg führen. Der Verbleib beim Stand der Förderarchitektur von 2019 würde dazu führen, dass zahlreiche Künstler:innen in andere Städte oder Bereiche abwandern und so die in den letzten Jahren gewachsene und professionalisierte Szene ausdörrt. Damit die freie Szene ihre Potentiale für die Stadtgesellschaft Hamburgs entfalten kann, müssen die Fördermittel angepasst werden. Wir sind überzeugt, dass unsere Forderungen ernst genommen werden und freuen uns auf den weiteren Dialog. 

Hier gibt es das Gutachten von Alexandra Manske zum Download.

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1. Dezember 2021

Fast hätte Hamburg eine Mittelbühne bekommen! Noch im letzten Winter glaubten alle daran, dass diese wichtige Strukturveränderung für die Hansestadt mit einem neuen Raum für das LICHTHOF Theater in greifbare Nähe rückt: Nachdem der Bundestag die Finanzierung von insgesamt 2 Millionen Euro für die Erweiterung beschlossen hatte, gelang es auch auf Landesebene, die entsprechende Summe von 2 Millionen Euro zu sichern. Was für ein Erfolg, was für ein wichtiger Schritt für Hamburgs freie Szene!

Doch nun liegt das Projekt vorerst auf Eis. Der Grund: die fehlende langfristige Finanzierung. Das ist umso unverständlicher, wenn man Hamburg im Bundesvergleich betrachtet: Denn blickt man auf die Verteilung der NEUSTART KULTUR-Gelder, sieht man, dass Hamburg gleich in doppelter Hinsicht auf Platz 3 liegt – sowohl bei der Anzahl bewilligter Anträge als auch bei der absoluten Förderhöhe. Eine so starke freie Szene sollte sich zeigen können an einem Ort, der die Lücke zwischen den freien Spielstätten des Hamburg Off-Verbunds und dem Produktionshaus Kampnagel schließt. 

Der DfdK nimmt am 1.12.21 in einem offenen Brief an Senator Dr. Brosda dazu Stellung, aus dem wir hier zitieren:

"(...) Blickt man einmal auf die Verteilung der Gelder aus NEUSTART KULTUR durch den Fonds Darstellende Künste, wird der Bedarf der Hamburger Akteur*innen an geeigneten Produktionsbühnen noch offensichtlicher: Hier liegt Hamburg sowohl hinsichtlich bewilligter Anträge als auch der absoluten Förderhöhe auf Platz drei im Bundesvergleich (hinter Berlin und NRW). Allein: Bisher fehlen die Strukturen, in denen diese finanzierten Projekte sinnvoll realisiert werden können.

(...) Dass nun das gesamte Projekt aufgrund einer fehlenden langfristigen Finanzierung auf Eis liegt, ist für uns nicht nachvollziehbar. Nach den Anstrengungen, die alle Seiten unternommen haben, die zugesagten Mittel weiter zu sichern, ist es nachgerade tragisch nun einen solchen Rückschlag hinzunehmen.

Mit dem Etat der Kulturbehörde ist kein Landeshaushalt zu sanieren. Deshalb braucht es gerade jetzt den politischen Willen, für das Projekt „Mittelbühne“ einzutreten und dem LICHTHOF Theater Räume und eine akkurate Infrastruktur zu ermöglichen, die schon seit langem überfällig sind.

Nach dem Aufwuchs der Förderung für die freien darstellenden Künste im Haushalt 2019, der als der Anfang einer wirklich vielversprechenden und nachhaltigen Entwicklung zu sehen ist, fehlt nun der nächste unverzichtbare Schritt: Der gezielte Ausbau der Infrastruktur in den freien Spielstätten! Gerade jetzt in dieser besonders für die Kulturlandschaft schwierigen Krise, ist es von großer Relevanz, ein Zeichen für die freien darstellenden Künste in der Stadt zu setzen."

>> gesamter Brief zum Download


KOMMENTARE ERWÜNSCHT!
Lasst uns an diesem Ort sammeln, warum eine Mittelbühne eine wichtige strukturelle Förderung für die freien darstellenden Künste bedeutet. Jeder Kommentar zählt!

 

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